Reputationsrecht – Im Dunkeln munkeln – Klarnamenspflicht im Internet angezeigt?

Ohne Namen und Adresse leider keine Klage möglich. Jemand wird im Internet beleidigt, seine Bilder unberechtigt genutzt oder erlangt andere Ansprüche gegen einen Unbekannten. Wie soll er sich wehren, wenn er den Namen und die Adresse des Täters nicht kennt? Denn ohne diese Daten ist keine Klage möglich. Diskussion zur Klarnamenspflicht?

Die deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) geht wie selbstverständlich davon aus, dass der Vor- und Zuname und eine eine ladungsfähige Adresse vorliegt. Eine Klage wird durch die Zustellung einer Klageschrift erhoben, die den Namen des Beklagten enthalten muss. So verlangt der Bundesgerichtshof (BGH) – als oberstes Deutsches Zivilgericht -, dass die Adresse des Beklagten in der Klageschrift angegeben worden ist (BGH, 31.10.2000 – VI ZR 198/99) neben der Adresse muss der Name angeben werden.

Klarnamenspflicht für Klagen – Klagen gegen Unbekannt nicht möglich

Rechtlich normiert sind diese Pflichten in § 253 Abs. 2 Nr. 1 der ZPO, wonach die Klageschrift unter anderem die Bezeichnung der Parteien enthalten muss. Gemäß § 130 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 253 Abs. 4 ZPO, soll in der Klageschrift eine Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort erfolgen. Es handelt sich hierbei in der Regel um die Angabe der Namen der Parteien, der Adressen und die Angaben des Prozessvertreters.

Voraussetzung einer im Ausnahmefall entbehrlichen Namensnennung ist, dass die Partei ohne Angabe ihres Namens so klar bezeichnet wird, dass keine Zweifel an ihrer Identität und Stellung aufkommen können und sie sich aus der Parteibezeichnung für jeden Dritten ermitteln lässt (BGH-Beschluss vom 18.09.2018 – VI ZB 34/17). Im Urteil vom 31.10.2000 stellte der BGH fest: „Als ladungsfähige Anschrift des Beklagten in der Klageschrift kann auch die Angabe seiner Arbeitsstelle genügen, wenn diese sowie der Zustellungsempfänger und dessen dortige Funktion so konkret und genau bezeichnet werden, dass von einer ernsthaften Möglichkeit ausgegangen werden kann, die Zustellung durch Übergabe werde gelingen (hier: Bezeichnung der beklagten Krankenhausärzte im Arzthaftungsprozess mit Namen und ärztlicher Funktion in einer bestimmten medizinischen Abteilung des Krankenhauses)“ (BGH, 31.10.2000 – VI ZR 198/99).

Klagen unter dem Künstlernamen sind zulässig

Dies gilt nicht für Klageschriften, in denen eine Partei mit ihrem Künstlernamen benannt wird. So stellte der Bundesfinanzhof fest: „Davon zu unterscheiden ist die Benutzung eines Künstlernamens (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Bundesmeldegesetzes), denn als Künstlername ist ein vom bürgerlichen Namen abweichender Name zu verstehen, der in bestimmten Lebensbereichen geführt wird und dort anstelle des Familiennamens die Identität und Individualität der Person ausdrückt. (Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27.03.20181010810/17). Ein Künstlername tritt somit zum bürgerlichen Namen hinzu und ersetzt diesen im Bereich der künstlerischen Betätigung. Er ermöglicht die Feststellung des bürgerlichen Namens.“ (BFH, 18.02.2021 – III R 5/19).

Internet verhindert Klagen

Im Internet agieren viele Schädiger anonym oder verstecken sich hinter Pseudonymen („nicknames“), um Ihre Identität zu verschleiern. Da eine Identifizierung – wenn überhaupt – nur mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand seitens der Strafverfolgungsbehörden erfolgen kann, werden die meisten dieser Taten nicht  verfolgt und geahndet. Weil geltendes Recht hier faktisch nicht durchgesetzt wird, erscheint das  Internet als Raum, in dem die Regeln und Werte der analogen Welt nicht gelten. Auch können Klagen auf Unterlassung und Schadenersatz nicht geführt werden. Die deutschen Gerichte gehen in den Internetkonzern Meta (Facebook) betreffenden Entscheidungen sogar so weit zu prüfen, ob Internetseiten, die Dritten die Möglichkeit geben, sich dort zu äußern, verlangen können, dass die Nutzer ihren Klarnamen angeben. Unterschieden wird dabei zwischen dem Verbot, ein Pseudonym zu nutzen und dem Verbot anonym zu agieren. Also ein Pseudonym ist möglich, aber bei der Anmeldung zu dem Dienst musste der Klarnamen angeben werden. 

Diskussion über Klarnamenspflicht

Unter dem Stichwort „Im Dunkeln lässt gut munkeln“ wird eine Klarnamenspflicht gefordert, weil die Anonymität die „Drecksschleuder“ Internet befördere; die überwiegende Mehrzahl meint offenbar, dass dies hinzunehmen sei, weil auch in der analogen Welt nicht jeder mit einem Namensschild durch die Welt läuft.

Meinungsfreiheit des Art. 5 des Grundgesetzes schützt die Anonymität

In der juristischen Diskussion wird angeführt, dass die Meinungsfreiheit auch die Möglichkeit schützt, sich „Fritzeflink“ zu nennen, wenn man es denn so möchte. Das ergäbe sich aus dem Grundsatz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (ich bestimme mit, was andere über mich wissen sollen).

Die Datenschutzgrundverordnung verbietet Klarnamen?

Seit Mai 2018 gilt die Datenschutzgrundverordnung – ein riesiges Gesetzeswerkes der Europäischen Union. Durch die Anwendung der  Datenschutz-Grundverordnung gilt wegen des Prinzips der Datensparsamkeit,  dass Pseudonymisierungsverbote durch Telediensteanbieter (wie Facebook) unzulässig sind. Inzwischen gilt, dass das Recht von Diensteanbietern verlangen kann, dass bei der eigentlichen Anmeldung der Klarname genannt werden muss. Anschließend dürfen die Teilnehmer sich dann auf den jeweiligen Plattformen mit Pseudonymen . 

Fazit: Klagen sind weiterhin nur möglich, wenn Name und Adresse des Beklagten vorliegen

Die formellen Anforderungen an eine Klageschrift, die sich aus der ZPO ergeben und von der Rechtssprechung konkretisiert wurden, verlangen weiterhin die genaue Bezeichnung der Parteien. Ist der Name und die Adresse einer Person nicht bekannt, kann diese nicht verklagt werden. Entstehen Ansprüche aus einem vom Beklagten im Internet an den Tag gelegten Verhalten liegen diese Daten in den allermeisten Fällen nicht vor.

V.i.S.d.P.:

Valentin Markus Schulte
Volkswirt, Stud. Iur

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